Die dritte Anfeindung

Das Pfarrer über alles predigen können, außer über 20 Minuten, ist hinlänglich bekannt. Doch im Jahr 1817 gab es in der Person von Karl Friedrich Wagner, Pfarrer zu St. Christophori von 1802 – 1827, einen Vertreter dieses Berufsstandes, der schmerzlich feststellen musste, dass er den Inhalt seiner Predigten doch etwas sorgfältiger auswählen sollte. 

Am 26. Oktober hielt Karl Rahlenbeck in der Lehrlingsloge einen Vortrag

in Bezug auf eine von dem Pfarrer Wagner am 5. d. M. in der Kirche zu Hohenstein zur öffentlichen Verleumdung der Freimaurerei und insbesonders unserer Loge gehaltene fanatische Predigt, und schloß mit einer Ermahnung an die Brüder, zur strengen Beobachtung eines der Maurerei entsprechenden moralischen Verhaltens

Quelle: Festschrift zur hundertjährigen Jubel-Feier der g.u.v. St. Johannis-Loge „Zur Harmonie“ im Or. Chemnitz am 11. Mai 1899

Weiterhin forderte er die Hohensteiner Brüder auf, mündlich mitzuteilen, was sie über diese Predigten wüssten. Auch sollten sie sich überlegen, wie man gegen die Angriffe des Pfarrer Wagner vorgehen sollte. 

Auch las der Ehrw. den Brüdern ein Schreiben des Superintendenten Thamerus in Glauchau vor, welches dieser auf eine von besagten Pfarrer Wagner gegen unsere Loge, wegen der sonntäglichen Logenversammlungen, eingereichte Beschwerde um Auftrage des Consistoriums zu Glauchau an den Senior Br. Landgraff erlassen hatte. Dieses Schreiben enthielt eine Abmahnung von den sonntäglichen Logenversammlungen.

Quelle: Festschrift zur hundertjährigen Jubel-Feier der g.u.v. St. Johannis-Loge „Zur Harmonie“ im Or. Chemnitz am 11. Mai 1899

Tatsächlich fanden sich Brüder, die von den besagten Predigten vom 29. September und 5. Oktober berichten konnten. Zwei von ihnen haben diese teilweise sogar, vermutlich aus dem Gedächtnis, niedergeschrieben. 

In einer Debatte wurde nun beraten, ob man die Angelegenheit stillschweigend auf sich beruhen lassen solle oder ob z.B. Johann Gottfried Landgraff gegen Wagner gerichtlich vorgehen solle, da dieser in der zweiten Predigt persönlich angegriffen sein soll. 

Offensichtlich konnte man sich nicht einigen, so dass die Loge diese Angelegenheit vor die große Landesloge in Sachsen zur weiteren Entscheidung gebracht worden ist. Diese half zunächst mit gutem Rat, indem denjenigen, die von der Kanzel angegriffen worden der Weg zum Gerichten nicht verwehrt würde. Weiterhin sollen die Brüder ihre Logenarbeiten und Zusammenkünfte terminlich so gestalten, dass diese nicht mit den Gottesdienstzeiten in Konflikt geraten. 

Dem fügte man sich nun. Von nun an wurden die Logen außer zu Himmelfahrt und dem Johannistag dienstags abgehalten, damit es keine Beschwerden mehr darüber geben könne. Weiterhin wurde beschlossen, dass ein ebenfalls von der Kanzel angegriffener Bruder der Loge eine Eingabe beim Stadtgericht in Hohenstein einreichen solle

und dadurch über die unziemlichen Kanzelvorträge des Pastors Wagner sich zu beschweren. 

Quelle: Festschrift zur hundertjährigen Jubel-Feier der g.u.v. St. Johannis-Loge „Zur Harmonie“ im Or. Chemnitz am 11. Mai 1899

Doch dem Rat folgte auch die Tat, denn der Großmeister der sächsischen Landesloge, Heinrich Wilhelm von Zeschau, (königlich sächsischer Generalleutnant und Staatsekretär der Militärangelegenheiten) übersandte ein Schreiben mit Beschluss der Großbeamtenkonferenz an das Direktorium des fürstlichen und gräflichen Konsistorium zu Glauchau und forderte die Rectification (Wiedergutmachung) durch den Pfarrer Wagner. 

Laut eines Berichts des Repräsentanten unserer Loge, datirt Dresden 29. Dezember 1817, scheint sich der Landesgroßmeister zunächst an den Patronatsherren des Pfarrers Wagner, den Grafen von Schönburg gewendet zu haben, und dieser hatte geäußert, daß er an den Superintendenten Thamerus schreiben und ferneren Unbesonnenheiten des Pfarrers Wagner vorbeugen wolle.

Quelle: Festschrift zur hundertjährigen Jubel-Feier der g.u.v. St. Johannis-Loge „Zur Harmonie“ im Or. Chemnitz am 11. Mai 1899

Diese Vorgehensweise sollte im Ergebnis Erfolg haben. Am 10. November 1818 ist diese Angelegenheit in der Loge abgeschlossen worden. Pfarrer Wagner musste sich offensichtlich entschuldigen und bei allen öffentlich von ihm angegriffenen Brüdern der Loge Abbitte leisten. Doch dabei blieb es nicht, denn neben der Abbitte wurde Pfarrer Wagner auch zu einer Geldstrafe und selbstverständlich auch zum Ersatz der Gerichtskosten verurteilt.